Der urbane Kongress
Ein Konzept zum Umgang mit Kunst im öffentlichen Raum von Markus Ambach und Kay von Keitz

STATUS QUO
Kunst im öffentlichen Raum war schon immer ein vielschichtig diskutiertes Thema. Zwischen Kunst am Bau, Denkmalfunktion und künstlerischer Selbstbehauptung versucht sie am öffentlichen und politischen Diskurs der Stadtgesellschaft teilzunehmen. Dabei gelangen künstlerische Arbeiten auf vielfältige Weise in die Stadt. Administrative, bürgerliche und privateAkteure werden dabei aktiv und beanspruchen den öffentlichen Raum für sich. Seine Grenzen und Bedingungen sind einem steten Aushandlungsprozess unterworfen.

Stadt aktuell: Gemeinschaftsraum vs. Parzelle
Wesentlich ist seine Bedeutung als zusammenhängender, verräumlichter Diskurs der Stadtgesellschaft. Der öffentliche Raum als Spiegel der Gesellschaft: zerfällt er in zusammenhanglose Einzeläußerungen, so ist dies Ausdruck des dramatischen Verlusts der Stadt als Gemeinschaftsraum.
Dieser Verlust zeigt sich akut nicht nur in Köln durch das Fehlen gemeinschaftlicher Diskussions- und Entscheidungskultur. Kunst im öffentlichen Raum reiht sich zusammenhangslos in Form von Stiftergeschenken und Denkmälern, Kunst am Bau und Planungsideen entlang des Bürgersteigs auf, statt Felder spannungsreicher Nachbarschaften zu bilden, die miteinander kommunizieren.
Die spannungsreiche Heterogenität der Stadt zerfällt dabei im wahllosen Nebeneinander, das durch städtische Möblierung, Parkpoller und Kübelpflanzen parzelliert wird. Während das Bewusstsein für die Gemeinschaftlichkeit dieses Raumes aus der Stadtgesellschaft verschwindet, drängt sich die ökonomische Verwertbarkeit von Öffentlichkeit in den Vordergrund. Die Stadt zeigt sich nicht mehr als zusammenhängender, aktiv kommunizierender Raum verschiedener Meinungen, sondern als Fläche privatisierter Parzellen repräsentativer Selbstdarstellung.

De-volution und Geschmacksurteil: Lesen lernen statt abräumen
Dabei ist diese De-volution vom „Gemeinschaftsraum Stadt“ zur „Privatisierten Öffentlichkeit“ eher Ergebnis eines fehlenden Bewusstseins, vernachlässigter Bildungsprozesse und ermüdeter Aufmerksamkeit als von schlechter Kunst. Auch wenn einzelne Arbeiten die Frage nach Qualität nahelegen, legitimieren sie nicht die Ausweitung von persönlichen Geschmacksurteile auf die gesamte Öffentlichkeit. Es kann bei einer Neuordnung öffentlicher Kunst also nicht darum gehen, in konservative Auf- und Abräummechanismen zu verfallen. Es muss vielmehr darum gehen, die interkommunikativen Fähigkeiten in den Nachbarschaften städtischer Elemente zu aktivieren, um wieder eine städtische Syntax herzustellen. Die Fähigkeit öffentlicher Räume, komplexe, vielschichtige Diskurse und Interessen in Diskussion miteinander zu bringen muss dabei im Zentrum stehen. Dadurch etabliert sich Stadt wieder als spannungsreicher Handlungsraum und vielschichtige Choreografie einer aktiven Stadtgesellschaft.

Praxis statt Repräsentation: Hoffnungsträger Köln
Um der Stadt eine neue Syntax zu geben, die sich gerade in den Nachbarschaften verschiedener Meinungen, Epochen und Statements kommuniziert, ist eine Wende von der Repräsentation zur Praxis notwendig. Statt Entscheidungen über die Gestaltung öffentlicher Räume in der städtischen Administration zu verwalten, muss zukünftig die Stadtgesellschaft selbst durch eine kontinuierliche Praxis die Gestaltung, Erhaltung und Verwaltung ihrer Räume verantworten und im engagierten Diskurs miteinander aushandeln.
In Köln scheint es möglich, dauerhaft den Weg in eine sich aktiv für ihre Räume engagierende Stadtgesellschaft zu finden. Die Prozesse um das Ensemble Opernhaus/ Schauspielhaus zeigen, dass die Stadt über eine aktive Bürgerschaft verfügt, die bei drastischen Anlässen Handlungsfähigkeit beweist. Diese Potenziale in langfristige Handlungsmodelle zu überführen scheint wichtig.

PRAXIS
Neue Syntax statt neuer Worte: Der urbane Kongress
Dafür steht der urbane Kongress. Am Beispiel von Kunst im öffentlichen Raum schafft er ein Bewusstsein und ein Handlungsmodell für die Stadt als gemeinsam verantwortetem Raum und macht es politisch handlungsfähig. In drei Stufen wird zunächst mit öffentlichen Inszenierungen und Diskussionen ein Bewusstsein für die städtischen Zustände und Zusammenhänge geschärft. Künstlerische Arbeiten wie auch Planungszusammenhänge werden neu beleuchtet und in ihrer Bedeutung verständlich. Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse entsteht ein Plan zur Neuordnung des Planquadrats, der umgesetzt wird und die städtische Syntax exemplarisch wiederherstellt.
Die im „urbanen Kongress“ erarbeiteten Parameter werden zur Grundlage des „Stadtlabors Köln“, das in Folge jeweils weitere Planquadrate bearbeitet. Das Labor etabliert sich als sich selbst aktualisierende, kontinuierliche Praxis bürgerschaftlich verantworteter Stadtgestaltung.

In vier Stufen wird eine dauerhafte Praxis zur Gestaltung öffentlicher Räume entwickelt und etabliert:

1. Verstehen: Der urbane Kongress
2. Verhandeln: Ein Strukturplan für das Planquadrat
3. Verändern: Die Umsetzung und das „Archiv für ungenutzte Kunst“
4. Verlängern: Das StadtLabor Köln in Zukunft

VERSTEHEN: DER URBANE KONGRESS
Temporäre Inszenierung und Diskussion beispielhafter Situationen von Kunst und Stadtraum

„Der urbane Kongress“ beginnt mit einem 6-wöchigen Programm in dem komplexe Zusammenhänge von Kunst und öffentlichem Raum beispielhaft durch Inszenierungen vor Ort zurück ins Bewusstsein der Stadtgesellschaft transportiert werden. Durch einfache flächen- und raumbildende Maßnahmen werden exemplarische Situationen und Arbeiten temporär reinszeniert, um sie diskutierbar zu machen. „Der urbane Kongress“ geht in öffentlichen Gesprächen und Diskussionen mit der städtischen Öffentlichkeit, verschiedenen Referenten und einer Gruppe aus Protagonisten des öffentlichen Raums (Bürgerschaft, Planung, Kunst, Politik, Anlieger) an diesen Orten den Fragen nach, die die Zusammenhänge von Kunst und Stadt heute stellen.

VERHANDELN: EIN STRUKTURPLAN FÜR DAS PLANQUADRAT
Nachdem ein Verständniszugang gelegt ist, wird unter den erarbeiteten Gesichtspunkten eine Neuordnung des Terrains erarbeitet: Welche Arbeit braucht einen neuen Kontext, ein neues Umfeld? Welche muss restauriert werden oder sollte sich mit einer anderen Nutzung konfrontieren? Welche Arbeit benötigt eine Neuorientierung und Denkpause? Welche ist aus ihrem Kontext gerissen und somit unverständlich geworden?
Parallel wird gemeinsam mit Künstlern, Eignern und den städtischen Trägern nach Wegen gesucht, die erarbeiteten Pläne umzusetzen. Themen von Ab- und Umbau, Verschiebung, Erhalt und Pflege, aber auch von Neubau werden konkretisiert und politisch auf Machbarkeit geprüft.

VERÄNDERN: DIE NEUSTRUKTURIERUNG UND DAS „ARCHIV FÜR UNGENUTZTE KUNST“
In dieser Phase werden die Vorschläge des „urbanen Kongresses“ umgesetzt. Bei der Neustrukturierung des Planquadrats, in deren Rahmen Arbeiten versetzt, restauriert oder entfernt werden sollen, entsteht für Letztere das „Archiv für ungenutzte Kunst“ auf einem öffentlich zugänglichen Platz. Da Qualitätsurteile schwierig und zeitenabhängig sind, manche Arbeiten im innerstädtischen Diskurs jedoch eine Denkpause zu benötigen scheinen, am Ort ihrer Aufstellung fragwürdig geworden sind oder sich dort in entwürdigenden Umständen befinden, nimmt das „Archiv für ungenutzte Kunst“ sie auf. Die temporäre Auslagerung aus dem ursprünglichen Kontext bewirkt eine mögliche Neubewertung und Neuorientierung der Arbeiten. Gleichzeitig wird sie nicht abgeräumt, sondern bleibt sichtbar und findet evtl. neue Interessenten und Kontexte. Das „Archiv für ungenutzte Kunst“ entsteht auf einem prominenten Platz im Planquadrat.

VERLÄNGERN. DAS "STADTLABOR KÖLN2 ALS IMPLEMENTIERUNG ZUKÜNFTIGER GESELLSCHAFTLICHER SELBSTVERANTWORTUNG
Um die aktive Stadtgesellschaft nicht nur modellhaft zu erproben, sondern konsequent zukunftsfähig zu machen, bedarf es eines Wandels von der repräsentativen Stadtgesellschaft zu einer der Praxis. Dauerhaft selbst ausgeübte Verantwortung muss eine kontinuierliche Praxis für den öffentlichen Raum werden, die an folgende Generationen übergeben wird. Das StadtLabor garantiert die Einschreibung solcher Praxis in den Gesellschaftskörper, indem es jedes halbe Jahr unter anderer Betreuung ein neues Planquadrat bearbeitet, die Perspektiven weiterentwickelt, ergänzt und sich dabei selbst aktualisiert.

 

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